Stolpersteine bei der Einbindung von Genesungsbegleiter*lnnen (Genesungsbegleiter):
1) Es besteht die Gefahr, dass Genesungsbegleiter ausschließlich auf ihre Diagnosen oder Rollen (z.B. Angehörigen-Rolle) reduziert werden könnten. Viele Genesungsbegleiter haben auch berufliche und persönliche Erfahrungen vor ihrer Erkrankung gesammelt. Sprechen Sie daher mit ihm ab, ob diese gegebenenfalls mit berücksichtigt und evtl. mit in der Arbeit eingebunden werden können.
2) Genesungsbegleiter könnten als günstiger Fachkräfte-Ersatz angesehen und ausgenutzt werden. Sie werden des Öfteren nicht als ergänzender Teil des bestehenden Hilfesystems gesehen. Wir vertreten die Auffassung, dass die Genesungsbegleiter nicht als günstiger Ersatz für die anderen Beschäftigten herhalten wollen.
3) Nachfragen von Genesungsbegleiter können irritierend auf Fach-Teams wirken bzw. die Arbeitsweise hinterfragen. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Genesungsbegleiter dann als "Spinner" abgetan wird. Besser ist es eine Streitkultur innerhalb des Teams zu entwickeln. Versuchen Sie Äußerungen und Meinungen neben einander stehen zu lassen. Es muss nicht für jede Gegebenheit/Problem eine einheitliche Meinung {Sichtweise} existieren. Der oft empfundene Kuschelkurs wie in vielen Soz-Teams kann von einem Genesungsbegleiter durchbrochen werden, was zu Reibungen führen kann.
4) Genesungsbegleiter möchten sich besonders anstrengen, bzw. etwas beweisen. Sie gehen evtl. über ihre eigenen Grenzen hinweg. Es besteht bei ihnen hoher Anpassungsdruck, "auch gemocht und gesehen zu werden"
Was hilft bei der Einbindung von Genesungsbegleiter:
1) Schulung der Mitarbeiter in den Bereichen Empowerment, Recovery-Ansatz und Mitbestimmungsrechte. Genesung kann von jedem erlangt werden und nur der Betroffene kann diesen Weg beschreiten. Das Hilfesystem kann nur sie/ihn "nur" begleiten. Der Mensch (Klient/Patient) steht im Mittelpunkt, nicht das Team oder die Begegnungsstätte, die Klinik oder ein anderes Unternehmen. Der begleitende Mensch sollte bei allen ihn betreffenden Entscheidungen mit ins Boot geholt werden (Open Dialog-Kultur). Dieses sollte nicht nur fachlich gelehrt sein, es muss als Haltung innerhalb der Organisation/Team gelebt werden.
2) Die Ängste und Befürchtungen der Fach-Mitarbeiter im Vorfeld thematisieren und ernst nehmen (z.B. nehmen die Genesungsbegleiter mir jetzt meine Arbeit weg?). Gemeinsam erst Teamintern und später mit den Genesungsbegleiter regelmäßig besprechen und thematisieren.
3) Schneiden Sie das Stellenprofil auf den einzelnen Genesungsbegleiter und den Einsatzort zu. Nicht jeder Genesungsbegleiter möchte/kann Gruppen, bzw. Einzelgespräche machen. Besprechen Sie mit dem Genesungsbegleiter, was kann er anbieten und was möchte die 0rganisation/ das Team von dem Genesungsbegleiter? Dieses gilt es individuell auszuhandeln und dann für alle Beteiligten transparent zu machen.
4) Tandembegleitungen befördern das voneinander lernen. Bieten Sie daher Psychoedukative Gruppen ebenfalls im Tandem an. Erweitern Sie gewohnte Methodiken wie SKT, MKT,etc. durch die Erfahrungen der Genesungsbegleiter. Führen Sie auch Fortbildungen in Tandems durch.
5) Handeln Sie individuelle Arbeitszeiten mit dem Genesungsbegleiter aus. Teambesprechungen morgens um 9:00 können wegen Morgentief, Medikametnenüberhang und Anderem ein Problem darstellen. Genauso kann es sein, dass ein Genesungsbegleiter nicht länger als drei Stunden am Stück arbeiten kann oder will. Dieses gilt es individuell zu besprechen, was ist machbar, was ist ein No-Go.
6) Besprechen Sie mögliche Ängste der Leitung bezüglich Krisen von Genesungsbegleiter mit dem jeweiligen Genesungsbegleiter im Vorfeld. Was wünschen sich Genesungsbegleiter von der Leitung bei einer erneuten Krise? Wie erkennen wir, das Genesungsbegleiter möglicherweise in eine Krise rutschen? Fragen Sie zum Beispiel: „Dürfen wir es ansprechen, wenn wir als Fachteam eine Veränderung bei ihnen bemerken?“
7) Für eine gute Einbindung benötigt es eine Leitung, die ganz klar sagt, das möchten wir und wir stellen die Ressourcen dafür bereit. Bestimmen Sie lnnerhalb des Teams einen festen Ansprechpartner für den Genesungsbegleiter, der von der Ex-In-Idee überzeugt ist. Auch dieser Ansprechpartner benötigt Ressourcen, damit er vom Genesungsbegleiter auch angesprochen werden kann. Streben Sie kurze strukturelle Wege an.
8) Binden Sie den Genesungsbegleiter in der Teamsupervision ein. Wenn Sie mehrere Genesungsbegleiter beschäftigen, kann es eventuell sinnvoll sein eine extra Spervision oder ein seperates Coaching für die Genesungsbegleiter (und nur unter Genesungsbegleiters) zur gemeinsamen Rollenfindung anzubieten. Genesungsbegleiter sitzen immer zwischen den Stühlen. Mal näher bei den Klienten, mal näher beim Team.
9) Auch Genesungsbegleiters brauchen eine wertschätzende Entlohnung! Durch unser ausbildungsorientiertes Tarifsystem ist das immer schwierig. Jedoch: Es gibt Möglichkeiten innerhalb des Tarifsystems, das Orgranisationen durch
erlangen von weiteren Qualifikationen, den Genesungsbegleiter auch in einer höheren Tarifklasse als "ungelernte einjährige Ausbildung“ einzustufen. Z.B. bei selbstorganisierten Gruppen in die Tarifgruppe der Erzieher.
Zu guter Letzt ein Zitat von Prof. Gonther Klinikum Bremen: "Ein Gradmesser, inwieweit die Recovery-Kultur in einer Einrichtung Einzug gehalten hat, ist bei der Bereithaltung von WC-Räumen zu sehen.
Solange Klienten und Mitarbeiter-WCs streng getrennt sind, ist der Recovery-Ansatz noch weit entfernt"
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Dieser Artikel und die PDF-Version (C) Genesungsbegleitung und Peerberatung Hamburg GBPH e.V.
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